Diabetiker sollten mehr auf ihre Zahngesundheit achten
Patienten sind über die gefährlichen Wechselwirkungen zwischen Blutzucker und Parodontitis noch unzureichend informiert
(Herne.) Jeder Diabetiker weiß heute, dass seine Erkrankung Folgeschäden an Augen, Nerven und Nieren oder ein diabetisches Fußsyndrom verursachen kann. Beim Thema Zähne herrscht jedoch noch Aufklärungsbedarf: Vielen Patienten ist nicht bewusst, dass ein Diabetes auch die Zahngesundheit schädigen kann. Diabetiker haben im Vergleich mit einem Nicht-Diabetiker ein dreimal höheres Risiko, an einer Parodontitis zu erkranken. Dass eine schwere Parodontitis selbst wiederum die diabetischen Folgeerkrankungen begünstigt, weil sie die Blutzuckereinstellung negativ beeinflusst – auch das ist für viele Diabetiker neu.
Ein hoher Blutzucker schwächt die Abwehrkraft
Die Parodontitis ist eine von Bakterien hervorgerufene Entzündung des Zahnhalteapparates, die unbehandelt zum Verlust der Zähne führen kann. Diabetiker, deren Blutzucker schlecht eingestellt ist oder sich schwer kontrollieren lässt, sind besonders häufig von Parodontitis betroffen. Die Ursache liegt im chronisch erhöhten Blutzucker. Ein Zuviel an Zucker im Blut schädigt nämlich die Gefäße – auch die der Mundhöhle. Der überschüssige Zucker lagert sich an den Gefäßwänden an und verursacht hier Entzündungen. Die weißen Blutplättchen werden daraufhin aktiv und versuchen die Krankheitserreger abzuwehren. Sie stoppen allerdings nicht nur die Entzündung, sondern dringen auch in die Muskelschicht der Gefäßwände ein, die daraufhin anwachsen und sich verdicken. Die Folge: Die Blutgefäße werden enger und die Durchblutung schlechter. Da die Gefäße nun nicht mehr ausreichend mit Nährstoffen versorgt werden können, verlieren sie ihre Abwehrkraft und Bakterien haben leichtes Spiel. Aber nicht nur die mangelhafte Blutversorgung erhöht das Parodontitis-Risiko von Diabetikern. Generell haben sie eine geschwächte Immunabwehr und werden daher schlechter mit Krankheitserregern fertig.
Folgeerkrankungen sind vorprogrammiert
Diabetiker haben aber nicht nur ein erhöhtes Risiko, an einer Parodontitis zu erkranken. Die Parodontitis selbst ist ein Risikofaktor. Allein durch das Bestehen einer Zahnbettentzündung erhöht sich für den Diabetiker das Risiko einer Folgeerkrankung an Herz, Nieren, Augen und Nerven. Ursache ist, dass die Entzündungsprozesse im Mund zu einer Verschlechterung der Blutzuckerwerte führen. Hohe Blutzuckerwerte schaden den Blutgefäßen, die die Organe versorgen.
Blutzucker gut einstellen, Zähne kontrollieren
Neben einer sorgfältigen Mundhygiene ist also die Blutzuckerkontrolle der Dreh- und Angelpunkt der Parodontitis-Prophylaxe. Ist der Blutzucker gut eingestellt, ist die Abwehrkraft des Diabetikers hoch und die Bakterien in der Mundhöhle können besser bekämpft werden. Um einer Parodontitis vorzubeugen bzw. sie frühzeitig zu erkennen, empfiehlt die Deutsche Parodontose Hilfe e.V. allen Diabetikern, Zähne und Zahnfleisch dreimal jährlich kontrollieren zu lassen. Diabetiker, die Raucher sind, sollten sich viermal im Jahr untersuchen lassen, da ihre Mundgesundheit zusätzlich durch das Nikotin beeinträchtigt wird.
Informationen zu Krankheitsbild, Behandlung und Vorbeugung können angefordert werden unter der Telefonnummer 0 23 23 / 96 59 05 oder per Mail unter info@parodontosehilfe.de.
Hintergrundinformationen zu Parodontitis und Diabetes mellitus
Parodontitis
Die Parodontitis ist eine von Bakterien hervorgerufene Entzündung des Zahnfleischs und des Kieferknochens. Bakterien besiedeln zunächst die Zahnoberflächen und greifen von dort auf das Zahnfleisch über. Das Immunsystem versucht, die Erreger mit Hilfe einer Entzündungsreaktion loszuwerden. Dabei schwillt das Zahnfleisch an, rötet sich und blutet möglicherweise auch. Schreitet der Entzündungsprozess weiter voran, weicht das Zahnfleisch zurück und löst sich vom Zahn. Es bilden sich Zahnfleischlappen, auch „Zahnfleischtaschen“ genannt. In diesen Nischen setzen die Bakterien ihr Zerstörungswerk fort. Zahnwurzel, Zahnhaltegewebe und sogar der Kieferknochen sind den Bakterien ausgeliefert und werden geschädigt. Die Folge: Die Zähne verlieren ihren Halt und fallen aus. Früher wurde angenommen, dass die Parodontitis ein reines Hygieneproblem ist. Die zahnmedizinische Forschung konnte inzwischen jedoch nachweisen, dass nur ein sehr kleiner Teil der Bakterien in unserer Mundhöhle überhaupt eine Parodontitis auslösen kann. Die eigentliche Ursache liegt in einer allgemeinen Immunschwäche. Die Erreger können nicht erfolgreich abgewehrt werden.
Diabetes mellitus
Diabetes mellitus ist eine chronische Stoffwechselerkrankung. Um die Krankheit zu verstehen, muss man Folgendes wissen: Zucker ist der Treibstoff, der alle Funktionen unseren Körpers am Laufen hält. Die Kohlenhydrate, die wir mit der Nahrung aufnehmen, werden in Magen und Darm zu kleineren Zuckereinheiten, unter anderem Traubenzucker abgebaut. Der Traubenzucker wird ins Blut abgegeben und in den Körperzellen verwertet, indem er zu Energie verbrannt wird. Damit der Zucker über-haupt in die Zellen eindringen kann, braucht es ein Hormon: das Insulin. Das in der Bauchspeicheldrüse gebildete Insulin arbeitet wie ein Schlüssel: Es öffnet die Zelle, damit der Zucker in ihr Inneres eindringen kann. Bei einem Typ 1-Diabetes, dem so genannten jugendlichen Diabetes, kann die Bauchspeicheldrüse kein Insulin mehr produzieren. Bei einem Typ 2-Diabetes produziert sie zwar zunächst noch genügend Insulin, es kann aber nicht richtig wirken, weil die Zellen insulinresistent geworden sind. Die Bauchspeicheldrüse versucht diesen Mangel auszugleichen, indem sie mehr Insulin produziert. Irgendwann erschöpft sich die Bauchspeicheldrüse jedoch und es steht nicht mehr ausreichend Insulin zur Verfügung. Bei einem Diabetes kann der Blutzucker also nicht bzw. nur unzureichend in die Zellen geschleust werden und es kommt zu einer Überzuckerung des Blutes. Das Ziel der Therapie ist, den Blutzucker durch geeignete Maßnahmen (je nach Verlauf und Typ der Erkrankung aus Insulintherapie, oralen Antidiabetika, Diät bestehend) so einzustellen, dass er dem eines gesunden Menschen so nahe wie möglich kommt. So kann das Risiko von Folgeerkrankungen deutlich gesenkt werden.
Die Deutsche Parodontose Hilfe e.V. mit Sitz in Herne ist ein gemeinnütziger Verein, der Aufklärungsarbeit auf dem Gebiet der Parodontitis leistet. Ziel ist es, die Ausbreitung der Volkskrankheit Parodontitis zu stoppen. Dabei arbeitet der Verein mit Partnern aus Forschung und Medizin zusammen.
Quelle: Dr. med. dent. Wolfgang H. Koch